兔年快乐 Ein frohes Jahr des Hasen!

Schon tagelang nahm ich unter meinen chinesischen Freunden eine gewisse Hektik wahr. Das traditionelle Neujahrsfest nahte, und obwohl in Deutschland und fern der Heimat bereiteten sie sich alle auf die eine oder andere Weise darauf vor. Einladungen zu Veranstaltungen wurden verschickt, die Wohnungen geschmückt, Geselligkeiten und gemeinsame Essen verabredet, manche meldeten sich gar ab, weil sie zu ihren Familien nach China reisten.

Von der emotionalen Bedeutung entspricht das Neujahrsfest unserem Weihnachten. Es ist das große Familienfest, das im Kreis der Angehörigen gefeiert wird.

Am letzten Tag des Mondjahres findet die Familie zusammen

In Zeiten wie diesen sind Hunderte Millionen Chinesen auf dem Weg zu ihren Familien, vor allem in China, aber auch zwischen den Kontinenten, denn Mitglieder unzähliger Familien leben heute im Ausland. So muss früh geplant werden, wo man gemeinsam feiern will. Für mich stand zunächst New York auf dem Programm, wo einer der Jüngsten meiner chinesischen Familie studiert. Dann entschieden wir uns für Shanghai, und schließlich zog ich es Corona bedingt vor, lieber in Deutschland zu bleiben. Damit sollte das Fest für mich jedoch nicht ausfallen. Denn wer nicht zur Familie reisen kann, der trifft sich eben mit Freunden. Und dazu gab es reichlich Gelegenheit.

Neujahrsfestival im Hamburger Teehaus “Yu Garden”

Im Hamburger Teehaus “Yu Garden” fand schon zwei Wochen vor dem eigentlichen Fest das „Norddeutsche Neujahrsfestival“ statt.

Das unterhaltsame Programm bestritten hauptsächlich eine Anzahl von in Norddeutschland ansässigen Familien. Es wurde getrommelt, gesungen, getanzt, rezitiert und vieles mehr. Kinder wie Erwachsene waren mit großer Leidenschaft bei der Sache.

Das Neujahrsfestival im Hamburger Teehaus “Yu Garden” © Petra Häring-Kuan

Das Schöne an solchen Veranstaltungen ist ja, dass man oft Leute trifft, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. So werden die Pausen für kleine Schwätzchen genutzt. Dabei lud mich eine chinesische Freundin spontan zum Essen ein, das ein paar Tage später in ihrer Wohnung stattfand.

Kein Neujahrsfest ohne 饺子, Jiaozi, jedenfalls für Nordchinesen

Eigentlich war ich von einem Essen in kleiner Runde ausgegangen. Doch kaum öffnete die Freundin die Tür, schallte mir auch schon fröhliches Geschrei entgegen. Ein ganzes Dutzend von Freunden stand um einen langen Tisch versammelt. Und was taten sie? Natürlich! Sie bereiteten 饺子, Jiaozi, gefüllte Teigtaschen zu. Ein Neujahrsfest ohne die traditionellen Jiaozi geht gar nicht, jedenfalls nicht für Nordchinesen. Jiaozi schmecken köstlich und sind doch ganz einfach herzustellen. Eigentlich handelt es sich um eine Art Arme-Leute-Essen: Mehlteig, je nach Geschmack eine Fleisch- oder Gemüsefüllung, ein Nudelholz und viele fleißige Hände. Im Handumdrehen ist die Arbeit getan und schon können die Teigtaschen gekocht, gebraten oder gedämpft werden.

Gekochte Jiaozi © Petra Häring-Kuan

Einzelne Bräuche zum Neujahrsfest wie die des Jiaozi-Essens erinnern an die Anfänge der bäuerlichen Gesellschaft, wie sie sich einst an den Ufern des Gelben Flusses entwickelt hat. Wenn mit dem kalten Winter das Jahr zu Ende ging, konnten die Bauern ausruhen. Sie mussten warten bis mit dem Frühling die Natur zu neuem Leben erwachte. Die wohlverdiente Pause wurde der Vereinigung der Familie und dem Besuch von Freunden gewidmet und mit Geselligkeit und Festessen begangen.

Der Mondkalender und die Tierkreiszeichen

Da das traditionelle Neujahrsfest nach dem Mondkalender gefeiert wird, ist es nach dem gregorianischen bzw. Sonnenkalender an kein festes Datum geknüpft. Es bewegt sich zwischen dem 21. Januar und dem 20. Februar. In diesem Jahr, 2023, begann das neue Mondjahr am 22. Januar, im Jahr davor, 2022, am 1. Februar.

Der chinesische Mondkalender besteht aus einem Zyklus von sechzig Jahren, der wiederum unterteilt ist in fünf Zwölfjahreszyklen und diese unterliegen auch noch den fünf Wandlungsphasen bzw. Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Ziemlich kompliziert das Ganze, zumal jedem Zwölfjahreszyklus auch noch zwölf Tierzeichen zugeordnet sind.

Die zwölf Tierkreiszeichen: Ratte, Ochse, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Ziege, Affe, Hahn, Hund und Schwein © Petra Häring-Kuan

2023 ist das Jahr des Hasen – benannt nach dem vierten der zwölf Tierkreiszeichen – im Element Wasser. Wahre Experten stellen jetzt schon Vermutungen an, was in diesem Jahr zu erwarten ist. Der Hase gilt als sensibel, ausgeglichen und friedlich. Im Jahr des Hasen Geborene sollen gute Diplomaten sein. Hoffen wir mal, dass 2023 ein Jahr der diplomatischen Lösungen für die vielen aktuellen Probleme wird!

Neujahrsempfang des chinesischen Generalkonsulats in Hamburg 

Eine Woche vor Neujahr lud das chinesische Generalkonsulat zum Neujahrsempfang ein. Im großen Saal des Hamburger Hotels “Grand Elysée” trafen sich Mitglieder der chinesischen Community mit deutschen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Auch hier herrschte große Freude über das Wiedersehen mit alten Bekannten, doch leider beschränkte man sich im hinteren Teil des Saales für Gespräche nicht auf die Pausen, sondern plauderte gleich munter drauf los, während im vorderen Teil Reden gehalten wurden und es den Rednern, wie der Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Kristina Herbst, zunehmend schwerfiel, gegen diese Geräuschkulisse und das damit ausgedrückte Desinteresse anzusprechen.

Der Generalkonsul der Volksrepublik China, Cong Wu, spricht sein Grußwort © Petra Häring-Kuan

Ein privater Neujahrsempfang in Berlin

Einen Neujahrsempfang ganz anderer Art erlebte ich in Berlin und zwar in der großräumigen Altbauwohnung eines Freundes. Was die geladenen, meist deutschen Gäste verband war die Tatsache, dass sie für längere Zeit in China gearbeitet hatten oder noch immer dort leben. Nach drei Jahren Corona waren alle überglücklich, sich mal wieder in so großer Runde privat treffen zu können. Mich hatte zunächst verwundert, dass der Empfang bereits um 15 Uhr begann, doch dann begriff ich: Es war der 30. Tag nach dem Mondkalender, und pünktlich um 17 Uhr schlug der Hausherr gegen eine große Flasche Champagner und wünschte allen ein glückliches neues Jahr. Da uns China sieben Stunden voraus ist, hatte dort gerade das Hasenjahr begonnen.

Spezialitäten bei Freunden und Verwandten

Von jenem Empfang eilte ich zu einer engen chinesischen Freundin, um in ihrem Familienkreis den letzten Abend des Mondjahres zu verbringen. Eigentlich unnötig zu erwähnen, was es unter anderem zu essen gab. Natürlich Jiaozi, und dies obwohl die Freundin aus der südchinesischen Provinz Zhejiang stammt und man dort zum Neujahrsfest ganz andere Spezialitäten isst. Aber ihr Mann kommt aus Xi’an, und dort isst man selbstverständlich Mehlspeisen.

Südchinesische Spezialitäten gab es erst am nächsten Tag, dem ersten des neuen Mondjahres, und zwar bei meinen chinesischen Verwandten, die aus Shanghai stammen.

Eins von vielen Gerichten: eine Shanghaier Spezialität © Petra Häring-Kuan

Das Laternenfest

Nun befinden wir uns also bereits im Jahr das Hasen, doch wer glaubt, dass damit die Feierlichkeiten vorbei sind, der irrt. Erst am 15. Tag des ersten Mondmonats, dem ersten Vollmond des neuen Jahres, in diesem Jahr am 5. Februar, finden mit dem Laternenfest die Neujahrsfeierlichkeiten ihr Ende. Die Zeit der Besuche ist vorbei, und die Menschen müssen an ihre Arbeit zurückkehren. Doch vorher besuchen sie noch die Tempel- und Parkanlagen, die mit farbenprächtigen Laternen geschmückt sind.

Laternenfest in der Shanghaier Altstadt am Tempel des Stadtgottes, 2014 © Petra Häring-Kuan

Und natürlich isst man auch an diesem Tag eine Spezialität: Klößchen aus Klebreis mit einer süßen Füllung – ein Symbol für Harmonie und Glück in der Familie.

 

5 comments
    1. Liebe Petra,
      das war ja sehr interessant: besonders da ich mich sehr zurückversetzt fühle in den Januar 2019: kurz vor der Coronazeit waren wir von Mitte Januar bis Anfang Februar in Vietnam und da war auch gerade das Neujahrsfest und ganz viele Leute unterwegs unsd sehr beschäftigt mit den Feierlichkeiten. Sogar ein Feuerwerk haben wir erlebt!
      Leider haben wir ja in dem Jahr danach die gebuchte Chinareise nicht antreten können!
      Sehr gut gefallen hat mir auch dein Bericht von Rügen da waren wir im September 2021: auch die Erinnerungen wurden super gut aufgefrischt!
      Liebe Grüße von deiner Cousine
      Bärbel ????

  1. Hallo Petra,
    ich bin im Jahr des Hasen geboren und mein Mann auch, ebenso unsere Tochter.
    Sie hat dann eine Ziege geheiratet. Die Kombination der Eigenschaften habe ich in der Hochzeitszeitung beschrieben sehr zum Vergnügen aller Gäste.
    Es war nett zu lesen über die Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahrsfest und die Lieblingsspeisen an diesem Tag. 饺子 die mag ich auch gern.
    Liebe Grüße
    Renate

  2. Liebe Frau Häring-Kuan, vielen Dank für die Schilderungen der Feierlichkeiten zum Neujahrsfest (auch über die Entstehungsgeschichte).
    Beste Grüße T. F.

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